Predigt
16. September 2007 von Irmgard Sykora
. Lukasevangelium, Kapitel
17, die Verse 5-6.
Und die
Apostel
sprachen zu dem Herrn: Stärke uns den Glauben!
Der
Herr aber sprach: Wenn ihr Glauben hättet so groß
wie ein Senfkorn, dann könntet ihr zu diesem Maulbeerbaum
sagen: Reiß dich aus und versetze dich ins Meer!, und er
würde euch gehorchen.
Liebe Gemeinde!
Jesus
antwortet den Aposteln auf ihre Bitte mit einem überraschenden
Bild.
Ausgerechnet der Maulbeerbaum, der tief
gegründet ist, der sogar in karger Umgebung mit seinen tiefen
Wurzeln noch an Wasser heranreicht, der soll sich ins Meer versetzen.
Was soll das? Ein absurdes Bild, unmöglich, unglaublich.
Das
andere Bild vom Berg, der durch Glauben bewegt wird, ist uns zwar etwas
geläufiger, jedoch ist es nicht leichter zu verstehen.
Beides
unmöglich.
Und es erscheint uns dumm, wenn nicht gar
lächerlich, wenn Adrian Plass in seinem Buch „Der
fromme Chaot“ beschreibt, wie dieser seinen Glauben
prüft, indem er in seinem Büro versucht,
zunächst etwas Leichtes, also eine Büroklammer, durch
Konzentration und Glaubenskraft zu bewegen.
Er nimmt Jesu
Worte wortwörtlich. Das hilft uns nicht weiter.
Was
heißt das eigentlich – glauben?
Ein
geläufiges Wort, alltäglich und vielseitig verwendet.
Ich
glaube, es ist jetzt 10.30 Uhr.
Ich glaube, ich bekomme eine 4
in der Mathearbeit.
Ich glaube an die Kraft der Liebe.
Ich
glaube an dich, du schaffst das.
Ich glaube an die Mannschaft
sowieso.
Ich glaube an die Auferstehung.
Schon diese
wenigen Beispiele zeigen etwas von der Breite, die dieses Wort umfasst.
Sie
reicht vom Ausdruck von Vermutungen bis hin zum Bekenntnis.
Wir
drücken Vermutungen aus und Behauptungen, wo wir nicht ganz
sicher sind
und überall da, wo unser Wissen nicht
ausreicht, um etwas zu begründen.
Deshalb steht das
Wort Glaube etwas im Gegensatz zu Wissen.
Ich glaube nur was
ich sehe.
Dann weiß ich genau und wer
weiß, ist anscheinend auf der sicheren Seite. Und auf
Ungesichertes, Unbeweisbares lassen sich moderne Menschen nicht gerne
ein.
Ich sage: ich glaube das, wenn ich etwas
für wahr halte, wenn ich denke, dass das Behauptete zutrifft.
Ich
glaube, weil eine Person meines Vertrauens etwas sagt –
Eltern, Freunde, Freundinnen.
Ich glaube, weil eine
Autorität etwas sagt – der Arzt, die Lehrerin,
Pfarrer, Richter, Politiker - da wird es schon schwieriger.
Ich
glaube etwas, weil es in der Zeitung steht, in den Nachrichten gesendet
wird.
Ich glaube der Werbung für bestimmte Marken,
ich glaube, dass sie gut für mich sind.
Wir
glauben sehr vieles.
Die Welt ist so komplex und ist so
kompliziert geworden, dass ich unmöglich alles selbst wissen
und überprüfen kann. Ich kann gar nicht alles
überblicken und mein Wissen, mein Vermögen reichen
bei weitem nicht aus.
Ich muss mich auf andere verlassen.
Wir
glauben eine ganze Menge.
Wir vertrauen z.B. darauf, dass
andere die Verkehrsregeln beachten, dass sie ihre Arbeit ordentlich
erledigen und z.B. mein Haus sachgerecht bauen oder mein Auto
sorgfältig warten.
Jeder glaubt. Ohne einen
Glauben kann keiner leben.
Entscheidend ist, was ich glaube,
wem ich glaube, worauf ich meine Hoffnung setze, wem ich mein Vertrauen
schenke.
Glauben hat sehr viel mit Vertrauen zu tun -
und
mit Beziehungen.
Ich glaube an dich, sagt z.B. der
liebende Blick der Mutter, auch wenn alle anderen Menschen in dir nur
den Versager sehen, ich glaube, dass du es schaffst, deinen Weg zu
finden. Ich glaube an deine Kraft, deinen Lebenswillen, deinen Mut,
auch Hindernisse zu überwinden. Ich setze Hoffnung in dich.
Von
der Kraft solcher Erwartung getragen können Kräfte
sich entfalten, die am Ende den Glauben bestätigen, er oder
sie schafft es wirklich.
Wir wissen, dass auch das
Gegenteil wirksam ist. Wer z.B. als Kind oft entmutigende Worte
hört wie: aus dir wird ja doch nichts, du kannst das nicht, du
bist halt dumm,
der glaubt das irgendwann und mancher
Erwachsene hat noch an der Last solcher Worte zu tragen. Sie
bestätigen sich tragischerweise und setzen einen Kreislauf von
Misserfolgen in Gang, die wieder bestätigend und
verstärkend wirken. Psychologen haben dies untersucht und
einen Begriff dafür geprägt. Sie sprechen von sich
selbst erfüllenden Prophezeihungen.
Glaube also als
Erwartung, die Erwartung beeinflusst das Ergebnis.
Glaube
ist nicht der Besitz von Antworten, nicht das Fürwahrhalten
von Glaubensätzen und das Festhalten an Ideen, ist nicht das
Beharren auf Bekenntnissätzen, die vor Zeiten festgelegt
wurden, um eine gemeinsame Grundlage für damalige Gemeinden zu
schaffen.
Es ist vielmehr eine innere Orientierung,
eine Einstellung, eine Lebenshaltung, die darauf vertraut, dass
Menschen fähig sind, wahrhaft menschlich zu werden. Diese
Gewissheit beruht auf Erfahrungen.
Es ist die Gewissheit einer
Wahrheit, die nicht rational bewiesen werden kann, von der ich jedoch
überzeugt bin.
In welcher Haltung begegne ich dem
Leben, den anderen Menschen? Das bestimmt die Beziehungen.
Liebe
Gemeinde,
Jesus hat vertrauensvolle Beziehungen vorgelebt.
Er
begegnet den Mitmenschen in Offenheit und ist selbst fest
gegründet im Vertrauen auf die Kraft Gottes. Sein Glaube weist
über ihn selbst hinaus – immer auf Gott hin, dessen
Kraft durch ihn wirkt.
Das verändert die Beziehungen.
Die Menschen fühlen sich wirklich angesehen in ihrer
Einzigartigkeit, in ihren Bedürfnissen, in ihrer Freude und in
ihrer Not. Sie werden heil unter dem Blick der liebenden Güte,
die nicht verurteilt, aber klare Richtung angibt. Sie erhalten
Orientierung, Zuspruch und neue Hoffnung.
In diesem Geist hat
Jesus gelebt – und diesen Geist sollen seine Nachfolgerinnen
und Nachfolger weitertragen. In diesem Geist sollen sie einander und
anderen begegnen. Und leben sollen sie aus der Kraft Gottes, im
Vertrauen nicht auf eigenes Vermögen, sondern auf die
Gotteskraft, die in den Beziehungen wirkt und die auch in den anderen
Menschen lebendig ist.
Das verändert die Welt, das
verändert die Menschen, das verändert mich.
Ja,
schön, wird so mancher sagen,
wenn ich das nur
glauben könnte.
Ich höre aus dem
Predigtext, dass nicht nur heutige Menschen diese Probleme haben.
Auch
die Menschen, die Jesus direkt erlebt haben, die in seiner
unmittelbaren Nähe lebten und von ihm direkt beauftragt waren,
dass
also auch diese Menschen spüren, der Glaube kann schwach
werden.
Es gibt Zeiten, da ist er stark und sicher und es gibt
Zeiten, da verliert er seine Kraft.
Der Glaube
hört auf, dem Leben Form zu geben, hört auf,
maßgebend und bestimmend zu sein.
Zweifel kommen auf
am Sinn, am eigenen Tun und Lassen, an den Gewissheiten.
Es
wird schwerer, den Anfragen von außen, den eventuellen
Widerständen standzuhalten. Die Argumente werden schwach oder
gehen aus.
Die christliche Ausrichtung verblasst ja insgesamt
in unserer modernen Gesellschaft. Wo und wie zeigt sich denn
christlicher Glaube im Alltag, in der Arbeitswelt, gar in der Politik?
Spielt etwa christliche Ethik im Wirtschaftsleben eine Rolle?
Es
kann passieren, dass man belächelt wird, wenn man sich zum
christlichen Glauben bekennt.
Andere Werte sind an
die Stelle des früher selbstverständlichen
christlichen Bezugs getreten.
Und mal ehrlich, sind wir als
Christen denn glaubwürdig? Kommen wir dem Auftrag Jesu nach?
Setzen wir uns ein für den Ausgleich zwischen Arm und Reich,
für mehr Gerechtigkeit, für den Frieden, der nicht
nur eine Angelegenheit der Weltpolitik ist, sondern in unserem
allernächsten Umfeld gelebt werden will.
Wir sind
meist nicht wirklich überzeugend, bieten keine oder kaum
Orientierung für Jugendliche, die auf der Suche nach
Lebenssinn sind.
Wenn sie im Religions- oder
Konfirmandenunterricht von christlichen Werten und Glaubensinhalten
erfahren, so wirkt das losgelöst vom alltäglichen
Leben.
Der sonntägliche Gottesdienst ist nicht das
Lebenszentrum der Gemeinde.
Das sollte und könnte er
sein, eine Kraftquelle für das Leben, das in schwierigen
Zeiten zu bestehen ist.
Es nützt nichts, diesen
Verlust an Inhalt und Gewissheit zu beklagen.
Viele
Menschen haben durchaus den Wunsch nach gesichertem Halt und wohl
manchmal auch eine gewisse Sehnsucht nach starkem Glauben.
Ach,
wenn ich doch glauben könnte.
Es drückt sich
darin die Einsicht aus, dass Glauben eine Hilfe zum Leben ist,
ein
Halt, eine Grundlage, die Beständigkeit vermittelt, wo alles
rundum sich so schnell verändert.
Ach, wenn ich doch
glauben könnte.
Ich höre daraus eine gewisse
Wehmut über den Verlust des Glaubens
und dann die
Hoffnung und die Bitte – vielleicht an die Theologen
– die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die uns
neuzeitlichen Menschen das Festhalten am Glauben schwer machen.
Die
Apostel damals wenden sich an Jesus und bitten um Stärkung.
Jesu
Antwort ist überraschend – und ermutigend.
Er
macht keine Vorwürfe, beklagt nicht den Kleinglauben wie an
anderen Stellen. Nein, er mutet ihnen Glauben zu, sogar einen Glauben,
der Unglaubliches zu Wege bringt.
Er traut dem kleinen Glauben
unglaubliche Wirkung zu,
dem kleinen Funken Vertrauen auf die
Gotteskraft.
So klein wie ein Senfkorn braucht er nur sein.
Aber es liegt darin ein Versprechen von Erfüllung, die
Verheißung von Reife und Größe, die man
gar nicht vermutet.
In dem eigentlich unmöglichen
Bild vom Maulbeerbaum, der sich ins Meer pflanzt, will Jesus deutlich
machen: dem Glaubenden ist Unmögliches möglich und
zwar deswegen, weil der Glaube in der Gotteskraft verankert ist.
Wer
glaubt, sieht über den Bereich des allernächsten
Umfeldes hinaus,
dem ist es nicht egal wie es anderen geht,
wie es Tieren ergeht, wie es der Erde ergeht.
Er oder sie
kümmert sich, macht sich Kummer, im Sinne des Wortes
– und leidet daran wie Menschen miteinander und mit der
Schöpfung umgehen.
Er oder sie ist sich gewiss, es
müsste anders sein, es ist nicht gottgemäß,
nicht gottgewollt.
Wer glaubt, hat eine Perspektive
außerhalb und bezieht den Maßstab aus einer anderen
Dimension, von einer übergeordneten Instanz jenseits der
menschlichen Möglichkeiten.
Wer glaubt, weist
über sich selbst hinaus, weist auf Gott, rechnet mit seiner
Kraft.
Wer glaubt, öffnet sich und wagt es, dieser
Kraft zu vertrauen.
Jesus macht Mut, das Vertrauen
zu Gott nicht aufzugeben – und im Kleinen anzufangen, den
Glauben umzusetzen und in ihm gegründet das Leben zu gestalten,
das
heißt Vertrauen leben, auf gute Kräfte hoffen, gegen
die Zerstörung anzugehen,
Vertrauen in das Leben, in
den anderen Menschen wagen, ihm oder ihr das Gute zutrauen, dem Kind,
dem Jugendlichen, dem Fremden.
Das heißt auch:
Vertrauen auf das eigene Vermögen, die eigene Kraft und
Begabung und diese einsetzen zum Wohl und Heil für alle.
Begabung
und Kraft ist Gabe und ist gegeben zum Weitergeben und Teilen.
Dies
steht also nicht im Widerspruch zum Gottvertrauen, sodern ist darin
gegründet.
Glaube eröffnet
Lebensmöglichkeiten, setzt Kräfte frei und
ermöglicht einen neuen Blick und neue Hoffnung –
auch wenn alles dagegen spricht.
Glaube bewahrt
nicht vor Lebenskrisen und dunklen Zeiten aber er hilft sie zu
bestehen. Wo Menschen ans Ende ihrer Kräfte und
Weisheit kommen, da beginnen die Möglichkeiten Gottes.
Und
vielleicht braucht es ja auch diese Durst- und Wüstenzeiten im
Leben, damit wir uns nicht nur auf die eigenen Kräfte
verlassen.
Den Glauben kann ich nicht haben wie einen Besitz,
ein für allemal und abgesichert.
Er ist immer wieder
Belastungen ausgesetzt. Er kann schwach werden oder gar anscheinend
verloren gehen.
Glaube braucht Stärkung,
Glaube braucht den immer wieder erneuerten Zuspruch, die erneuerte
Verbindung zu Gott.
Glaube braucht Nahrung.
Nahrung
ist das Wort Gottes. Im Hören, im gemeinsamen Hören,
überhaupt in der gemeinsam gesuchten Verbindung mit dem
Heiligen, im Singen und Beten geschieht etwas. Auch wenn es uns gering
erscheint und oft gar nicht spürbar ist, so wirkt es
in
uns, in unseren Beziehungen, in der Welt. Wir haben das nicht in der
Hand was daraus wird.
Liebe Gemeinde.
Aus Jesu Antwort entnehme ich
den Zuspruch, dass auch aus kleinen Anfängen des Glaubens
Großes und Unerwartetes werden kann -
nicht aus
eigenem Machen, sondern im Vertrauen auf die Gotteskraft.
I
c h muss nicht super und allzeit überzeugt und
überzeugend sein.
Ich darf mich an Jesus wenden und
um neuen Zuspruch bitten.
Es genügt, wenn ich bereit
bin, Vertrauen zu wagen und dieses kleine Körnchen Glauben
wachsen zu lassen.
Es hat ungeahnte Kräfte und kann
Großes bewirken.
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